Auslieferung und grenzübergreifende Strafverfolgung – Internationales Strafrecht
Was ist die Auslieferung?
Die Auslieferung ist ein zentraler Bestandteil der internationalen Strafverfolgung. Sie bezeichnet die Übergabe einer Person, die einer Straftat verdächtigt oder bereits verurteilt ist, von einem Staat an einen anderen. Ziel ist es, entweder ein Strafverfahren durchzuführen oder eine Strafe zu vollstrecken. Unsere Kanzlei in München steht Ihnen mit umfassender Expertise zur Seite, wenn Sie in ein Auslieferungsverfahren verwickelt sind.
Welche Voraussetzungen müssen für eine Auslieferung vorliegen?
Rechtliche Grundlagen
In Deutschland regelt das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) die Auslieferung. Innerhalb der Europäischen Union kommt der Europäische Haftbefehl (EuHb) zum Einsatz, der ein vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren ermöglicht. Für Drittstaaten gelten bilaterale oder multilaterale völkerrechtliche Abkommen.
Voraussetzungen für eine Auslieferung
1. Beiderseitige Strafbarkeit
Die Tat muss sowohl nach deutschem Recht als auch nach dem Recht des ersuchenden Staates strafbar sein.
Beispiel: Ein US-amerikanischer Staatsbürger wird in Deutschland festgenommen, weil die USA seine Auslieferung wegen Steuerhinterziehung fordern. Steuerhinterziehung ist in beiden Ländern strafbar, weshalb die Voraussetzung der beiderseitigen Strafbarkeit erfüllt wäre.
Nicht erfüllt wäre diese Voraussetzung jedoch, wenn der Betroffene in Pakistan wegen Verstoßes gegen eine bestimmte Religionsvorschrift (z. B. Blasphemiegesetze) strafrechtlich verfolgt wird. Solche Gesetze existieren in Deutschland nicht in dieser Form, sodass die beiderseitige Strafbarkeit in diesem Fall nicht gegeben wäre.
2. Schwere der Tat
Die Straftat muss in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht sein. Bei der Vollstreckung einer bereits verhängten Strafe muss die Resthaftzeit mindestens vier Monate betragen.
Beispiel: Ein polnischer Staatsbürger wird in Deutschland festgenommen, weil Polen seine Auslieferung wegen schwerer Körperverletzung beantragt hat. Diese Tat ist in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bedroht (§ 226 StGB), sodass die Schwere der Tat gegeben ist.
Dagegen würde ein Diebstahl geringwertiger Sachen, der in Deutschland nur mit einer Geldstrafe geahndet wird, diese Voraussetzung nicht erfüllen.
3. Menschenrechte und Verhältnismäßigkeit
Eine Auslieferung ist ausgeschlossen, wenn die betroffene Person im ersuchenden Staat Folter, unmenschliche Haftbedingungen oder die Todesstrafe zu befürchten hat.
Beispiel: Ein iranischer Staatsbürger soll wegen eines Delikts, das im Iran mit der Todesstrafe geahndet wird, an die iranischen Behörden ausgeliefert werden. In diesem Fall wäre die Auslieferung unzulässig, da die Gefahr der Todesstrafe besteht.
Ein weiteres Beispiel wäre die Auslieferung an ein Land mit überfüllten und unhygienischen Gefängnissen, die die Mindeststandards der Menschenrechte verletzen.
4. Besonderer Schutz deutscher Staatsbürger
Deutsche Staatsangehörige dürfen gemäß Art. 16 Abs. 2 GG nur unter strengen Bedingungen ausgeliefert werden, insbesondere im Rahmen eines EuHb oder bei Auslieferung an internationale Gerichtshöfe.
Beispiel: Ein deutscher Staatsbürger wird in Italien wegen Steuerhinterziehung gesucht. Italien erlässt einen Europäischen Haftbefehl. Deutschland kann die Person ausliefern, sofern rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden und der deutsche Staatsbürger nach der Verurteilung die Möglichkeit hat, seine Strafe in Deutschland zu verbüßen.
Hingegen wäre eine Auslieferung an ein Drittland wie Russland ohne ein bilaterales Abkommen nur in sehr seltenen Fällen möglich, da hier strenge rechtliche Hürden bestehen.
Welche Hindernisse können einer Auslieferung im Weg stehen?
Ein Auslieferungsersuchen kann abgelehnt werden, wenn bestimmte Auslieferungshindernisse vorliegen:
- Politische oder militärische Straftaten: Eine Auslieferung ist ausgeschlossen, wenn der Vorwurf sich auf diese Bereiche bezieht.
- Menschenrechtsverletzungen: Drohen im ersuchenden Staat unmenschliche Haftbedingungen, wie unzureichender Platz oder fehlende hygienische Standards, wird die Auslieferung verweigert.
- Doppelte Bestrafung (ne bis in idem): Wurde die Person bereits wegen derselben Tat verurteilt oder freigesprochen, ist eine erneute Strafverfolgung unzulässig.
- Verjährung: Ist die Tat nach deutschem oder ausländischem Recht verjährt, darf keine Auslieferung erfolgen.
- Abwesenheitsurteile: Wurde die Person in einem Verfahren verurteilt, an dem sie nicht teilnehmen konnte, und hatte sie keine Möglichkeit, sich zu verteidigen, wird die Auslieferung regelmäßig abgelehnt.
Außerdem findet eine Auslieferung nicht statt, wenn zwischen Deutschland und dem ersuchenden Land kein entsprechendes Abkommen besteht.
Ablauf des Auslieferungsverfahrens
Ein Auslieferungsverfahren beginnt mit einem Auslieferungsersuchen des ersuchenden Staates, das an die deutschen Behörden, in der Regel das Bundesamt für Justiz, gerichtet wird. Nach einer ersten Prüfung leitet die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren ein und beantragt, falls erforderlich, Auslieferungshaft beim zuständigen Oberlandesgericht (OLG). Dieses Gericht entscheidet im Zulässigkeitsverfahren, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Auslieferung erfüllt sind. Liegt ein zulässiger Antrag vor, prüft die Bewilligungsbehörde – meist die Generalstaatsanwaltschaft –, ob die Auslieferung politisch oder aus humanitären Gründen abgelehnt werden sollte. Erst nach der Bewilligungsentscheidung wird die betroffene Person an den ersuchenden Staat überstellt. Während des gesamten Verfahrens hat die betroffene Person das Recht auf anwaltlichen Beistand und kann bei Verstößen gegen ihre Rechte Verfassungsbeschwerde einlegen.
Auslieferungshaft
Die Auslieferungshaft dient dazu, sicherzustellen, dass sich die betroffene Person dem Auslieferungsverfahren nicht entzieht. Sie wird angeordnet, wenn:
- Fluchtgefahr besteht: Es ist zu befürchten, dass die Person versucht, sich der Übergabe zu entziehen.
- Verdunkelungsgefahr vorliegt: Es besteht der Verdacht, dass die betroffene Person Beweise manipulieren oder vernichten könnte.
Die Auslieferungshaft endet, sobald die Übergabe an den ersuchenden Staat erfolgt oder das Verfahren eingestellt wird. Während dieser Zeit hat die betroffene Person das Recht auf rechtlichen Beistand und ein faires Verfahren.
Rechtsanwalt bei einer Auslieferung
Ein Auslieferungsverfahren ist rechtlich und taktisch anspruchsvoll. Schon kleine Fehler können weitreichende Konsequenzen haben. Daher ist es essenziell, frühzeitig einen erfahrenen Rechtsanwalt einzuschalten. Unsere Kanzlei unterstützt Sie unter anderem bei:
1. Prüfung der Auslieferungsvoraussetzungen
Wir überprüfen, ob die rechtlichen Bedingungen für eine Auslieferung erfüllt sind und ob Hindernisse vorliegen.
2. Verteidigung gegen die Anschuldigungen und die Auslieferung
Wir setzen uns für Ihre Rechte ein und nutzen alle rechtlichen Möglichkeiten, um eine Auslieferung zu verhindern.
3. Beratung und Vertretung während der Auslieferungshaft
Wir begleiten Sie in jeder Phase des Verfahrens und stellen sicher, dass Ihre Rechte gewahrt bleiben.
4. Rücküberstellung nach Deutschland
Falls Sie als deutscher Staatsbürger im Ausland festgenommen wurden, setzen wir uns für Ihre Rückführung nach Deutschland ein.
Fazit
Je nachdem, welches weitere Land an der Auslieferung beteiligt ist, kann diese beträchtliche Auswirkungen haben. Daher erfordert ein Auslieferungsverfahren juristische Begleitung, um die Wahrung der Beschuldigten- sowie Menschenrechte zu gewährleisten. Unsere Kanzlei in München bietet Ihnen und Ihren Angehörigen hierbei umfassende Unterstützung und persönliche Betreuung.