Claus Erhard

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Diebstahl von Bitcoins: Eine Juristische Einordnung von Kryptowährungen

Der Diebstahl von Kryptowährungen wie Bitcoin hat eine besondere Brisanz. Angesichts der immensen Werte, die in Wallets lagern, ist der Alptraum vieler Anleger, ihre Bitcoins durch unbefugte Zugriffe zu verlieren, allgegenwärtig. Doch wie wird ein solcher Diebstahl strafrechtlich bewertet? Die Antwort mag überraschen: Trotz des klaren Wertverlustes ist ein Diebstahl im klassischen Sinne nicht immer strafbar. In diesem Artikel beleuchten wir die aktuelle strafrechtliche Lage in Deutschland, typische Fallkonstellationen und die damit verbundenen juristischen Herausforderungen.

 

Der Fall: Ein Kollege stiehlt 100 Bitcoins

Stellen Sie sich vor, Sie lassen auf Ihrem Schreibtisch im Gemeinschaftsbüro einen Zettel mit Ihrem darauf notierten Wallet-Passwort liegen. Ein Kollege sieht diesen im Vorbeigehen zufällig, fotografiert ihn und transferiert später Ihre 100 Bitcoins auf seine eigene Wallet. Das Ergebnis: Ein beträchtlicher Vermögensschaden. Zivilrechtlich kann das Geld meist zurückgefordert werden. Doch hat der Kollege sich strafbar gemacht? Die Antwort ist nicht so eindeutig, wie man denkt.

 

Kein Diebstahl im Sinne von § 242 StGB

Der Gedanke liegt nahe, dass es sich hier um Diebstahl handelt. Doch § 242 StGB erfordert die Wegnahme einer beweglichen Sache. Da Bitcoins keine körperlichen Gegenstände sind, scheidet ein Diebstahl aus. Das deutsche Strafrecht kennt zudem das Analogieverbot, wonach eine Strafnorm nicht analog auf ähnliche Sachverhalte angewendet werden darf. Bitcoins können daher auch nicht wie eine Sache behandelt werden.

 

Andere strafrechtliche Ansätze und ihre Probleme

Zwar kommen eine Reihe anderer Straftatbestände in Betracht, allerdings lässt sich keiner davon ohne Weiteres auf den konkreten Fall anwenden.

 

§ 263a StGB – Computerbetrug

Der Computerbetrug könnte auf den ersten Blick einschlägig sein, da er die Manipulationen eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unbefugte Datennutzung unter Strafe stellt. Das Einsetzen eines ausgespähten Wallet-Schlüssels könnte als unbefugte Verwendung von Daten bewertet werden.

Problem: Identitätsprüfung im Bitcoin-Netzwerk fehlt

Ein Vergleich mit Geldautomaten verdeutlicht das Problem, denn hier stellt die Nutzung einer fremden Karte mit dem PIN regelmäßig einen Computerbetrug dar: Während der Geldautomat die Identität des Nutzers dadurch prüft, dass PIN und Karte zusammengehören und dem Automaten somit durch PIN-Eingabe eine Berechtigung zur Nutzung der Karte suggeriert wird, findet eine Identifizierung im Bitcoin-Netzwerk gerade nicht statt. Es wird lediglich eine technische Validierung des Unlocking-Skripts durchgeführt. Das Netzwerk kennt keine Personen, sondern nur Schlüsselpaare. Damit fehlt es an der täuschungsähnlichen Handlung, die für einen Computerbetrug erforderlich wäre.

 

§ 202a StGB – Ausspähen von Daten

Dieser Tatbestand schützt besonders gesicherte Daten vor unbefugtem Zugriff. Im obigen Szenario könnte § 202a einschlägig sein, wenn der Täter eine Zugangssicherung überwinden musste.

Problem: Keine besondere Sicherung

Lag das Passwort offen herum, fehlt es an der notwendigen besonderen Sicherung. Damit greift § 202a StGB nicht. Nur wenn der Täter etwa eine verschlüsselte Datei oder eine äußere Schutzvorrichtung geknackt hätte, könnte eine Strafbarkeit vorliegen.

 

§ 303a StGB – Datenveränderung

Die Datenveränderung umfasst das rechtswidrige Verändern von Daten. Eine Bitcoin-Transaktion könnte als solche Veränderung gelten, da sie die Besitzverhältnisse an den UTXOs (unspent transaction outputs) verändert. Außerdem wird durch jeden Transfer von Bitcoins die öffentliche Blogchain erweitert und somit verändert.

Problem: Eigentümerähnlichkeit

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Tatbestand nur greift, wenn der Geschädigte eine eigentümerähnliche Verfügungsbefugnis über die Daten hat. An der Blockchain hat der Geschädigte eine solches Recht jedenfalls nicht, da diese der Allgemeinheit dient. Da UTXOs im Bitcoin-System nicht personalisiert sind, wird diese Voraussetzung auch hier regelmäßig fehlen. Nach anderer Auffassung ist eine Zuordnung der UTXOs zu einer konkreten Person hierfür jedoch nicht unbedingt notwendig – es reicht für die Verfügungsbefugnis, wenn der Geschädigte die UTXOs aus vorherigen Transaktionen in seiner Wallet abgespeichert hat und somit „Erzeuger“ der UTXOs ist.

Eine Strafbarkeit nach § 303a StGB hängt demnach davon ab, ob man die Erzeugung als automatisch ansieht oder als Handlung des Walletinhabers – vertretbar ist beides.

§ 269 StGB – Fälschung beweiserheblicher Daten

Diese Vorschrift schützt die Integrität von Daten, die als Beweismittel dienen könnten, als Äquivalent der Urkundenfälschung. Eine Bitcoin-Transaktion hinterlässt digitale Spuren, die möglicherweise beweiserheblich sind.

Problem: keine Garantiefunktion

Zwar wird die Blockchain als eine Art digitales Beweisregister angesehen, allerdings lassen diese Transaktionsdaten keinen „Aussteller“ im Sinne einer Urkunde erkennen und sind somit nicht beweiserheblich im Sinne des § 269 StGB.

 

Fazit: Eine Strafbarkeitslücke

Die aktuelle Rechtslage lässt im Ergebnis eine beträchtliche Lücke erkennen. Mit fundierter Argumentation könnte man allenfalls zu einer Strafbarkeit nach § 303a StGB gelangen. Mit Blick auf die tatsächlichen Auswirkungen, die mit denen eines Diebstahls vergleichbar sind, ist das ernüchternd; denn dieser wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren, die Datenveränderung lediglich mit bis zu 2 Jahren bedroht. Angesichts der oft hohen Vermögenswerte in Kryptowährungen ist das ernüchternd.

In dem oben beschriebenen Fall bliebe ihr Kollege nach aktueller Gesetzeslage also wahrscheinlich straflos. Dies ist für Betroffene ein unbefriedigender Zustand. Es bleibt festzuhalten, dass es neuer gesetzlicher Regelungen bedarf, um solche Fälle zu ahnden. Eine eigenständige Strafnorm für den Missbrauch digitaler Vermögenswerte wie Bitcoin könnte diese Lücke schließen.

 

Fazit und Handlungsempfehlung

Die rechtliche Bewertung des Bitcoin-Diebstahls ist komplex und von vielen offenen Fragen geprägt. Die Diskussion zeigt, dass unterschiedliche Strafnormen je nach Fallkonstellation herangezogen werden können, wobei in der Praxis oft erhebliche Beweisschwierigkeiten bestehen.

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